Dr. Arnulf Schönlieb

Logistisches Wachstum in der Praxis

Für Wachstumsprozesse, die nach dem logistischen Wachstumsmodell ablaufen, gilt:

(1)      

Darin sind p(t) bzw. p0 die Populationen zu den Zeitpunkten t bzw. t0, a und b sind die sogenannten Vitalkoeffizienten.

Die Schwierigkeit bei der Modellierung liegt in der  Regel darin, die Vitalkoeffizienten a und b zu berechnen. Meist liegen jedoch einige bekannte Werte vor, die die Entwicklung der Population beschreiben helfen. Kennt man die Anfangspopulation p0 sowie die Größe der Population zu zwei weiteren Zeitpunkten t1 und t2, die gleich lange Zeiträume umfassen, d.h. t2 – t1 = t1 – t0 = t, so kann man folgend überlegen:

Bekannt sind p(t0) = p0, p(t1) = p sowie p(t2) = p2.

Daher gilt:

(2) und

(3)

Aus (2) berechnet man:

 und damit

(4)

Aus (3) berechnet man in gleicher Weise:

(5)

Daraus folgt:

Wegen a¹0 und p0¹0 kann man durch a bzw. p0 kürzen.

Daraus ergibt sich:

Ausmultiplizieren ergibt:

und nach Herausheben:

Setzt man nun , erhält man eine quadratische Gleichung in u.

Eine Lösung dieser Gleichung ist u1=1. Die zweite Lösung erhält man durch Zerlegen in Linearfaktoren. Der Linearfaktor lautet:

Daraus erhält man:

(6) . Die erste Lösung u1=1 ergibt: und damit wegen a¹0 den Wert t1=0. Dies entspricht gerade dem Anfangszeitpunkt t0 mit p(t0) = p0.

Für u2 berechnet man entsprechend . Logarithmieren auf beiden Seiten liefert: -at=ln(u2) und weiter:

(7) .

Für gegebenes t (entspricht der Länge des Zeitraums t1 – t0 kann man somit den Vitalkoeffizienten a berechnen. Den zweiten Koeffizienten b erhält man durch Rückeinsetzen in (3) oder (4).

Das folgende Beispiel veranschaulicht die Bevölkerungsentwicklung Afrikas bei Anwendung des logistischen Modells:

Bevölkerung Afrika

Jahr

1950

1980

2010

Bevölkerung (in Mio.)

220

470

690

Für die Vitalkoeffizienten berechnet man  a=0,04236 und b=0,000050188.

Eine Simulation der Bevölkerungsentwicklung im Zeitraum 1950 – 2100 ergibt folgende Ergebnisse:

Jahr

1950

1960

1970

1980

1990

2000

2010

2020

2030

2040

2050

2060

2070

2080

2090

2100

Bevölkerung

220,0

295,4

380,9

470,0

554,9

629,4

690,0

736,4

770,4

794,3

810,8

822,0

829,5

834,5

837,8

840,0

Die folgende Graphik veranschaulicht das logistische Wachstum:

Es ist deutlich erkennbar, dass die jährliche Zuwachsrate etwa bis zum Jahre 1990 noch zunimmt, danach hingegen zurückgeht.

Berechnet man die durchschnittlichen jährlichen Zuwachsraten für den Zeitraum 150 – 2100, so erhält man:

Jahr

1950

1960

1970

1980

1990

2000

2010

2020

2030

2040

2050

2060

2070

2080

2090

2100

Zuwachs

0

7,54

8,55

8,91

8,49

7,45

6,06

4,64

3,39

2,4

1,65

1,12

0,75

0,5

0,33

0,22

Insgesamt nähert sich die Bevölkerung einem Grenzwert, der in diesem Beispiel bei etwa 840 Mio. zu liegen scheint.

Wie kann man nun diesen Grenzprozess beschreiben und den jeweiligen Grenzwert angeben?

Wir berechnen dazu: :

.

Die Grenzpopulation des logistischen Wachstumsmodells ist also .

Nicht in allem Fällen liefert das logistische Wachstumsmodell brauchbare Prognosewerte. Zum einen sind dafür die jeweiligen außermathematischen Rahmenbedingungen verantwortlich, zum anderen gibt es jedoch auch Gründe, die in der Struktur des Modells liegen. Beispielsweise liefert die logistische Modellgleichung (1) nicht immer einen positiven Wert für den Vitalkoeffizienten b. Was dies bedeutet, veranschaulicht die folgende Graphik für a=0,05 und b=-0,000006 bei p0=220.

Unter welchen Rahmenbedingungen kann nun eine derartig „chaotische“ Entwicklung auftreten? Wir betrachten dazu nochmals Gleichung (4).

Man erhält für den Vitalkoeffizienten b genau dann einen negativen Wert, wenn gilt:

Nun ist aber  " t ÎÂ+.

Es genügt daher den Zähler in (4) zu betrachten.

Daraus ergibt sich:

. Wegen p0¹0 folgt daraus:  und weiter:

 Damit ist:

 und . Formt man den letzten Term schließlich um: , erhält man:

(7) .

Die letzte Aussage kann man folgend zusammenfassen: Ist die Zuwachsrate im Zeitintervall [t1, t2] größer als im Zeitintervall [t0, t1], gibt es für das logistische Wachstumsmodell keine vernünftige Lösung.

In diesem Fall wird man entweder ein unbeschränktes, exponentielles Wachstum annehmen und dafür entsprechende Modellgleichungen konstruieren oder aber, sofern man genügend Ausgangsdaten hat, andere Beobachtungszeiträume wählen. Die folgenden drei Graphiken veranschaulichen nochmals das „Herantasten“ an den in Ungleichung (7) beschriebenen Zusammenhang. Als Startjahr wird jeweils 1910 angenommen.

Szenario A:

p(t0)

p(t1)

P(t2)

a

b

330

570

960

0,019411

0,000000271231

Szenario B:

p(t0)

p(t1)

P(t2)

a

b

330

570

984,54

0,01821837

0,0000000000578

Szenario C:

p(t0)

p(t1)

P(t2)

a

b

330

570

984,545

0,018218145

0,00000000000481